Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez, CH

Vollzugsanstalt mit Weitsicht

Beim Bau einer Haftanstalt hat die Sicherheit oberste Priorität. Die neue JVA Cazis Tignez im Bündner Hinterrheintal setzt Massstäbe im modernen Strafvollzug. Mit einem grosszügigen Neubau leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit und schafft zudem neue Perspektiven für Insassen und Personal.

Die alte JVA Sennhof in der Altstadt von Chur war nicht mehr sicher genug. Das altehrwürdige Gebäude aus dem 17. Jahrhundert konnte trotz verschiedener Umbauten die heutigen Auflagen und Anforderungen an einen modernen Strafvollzug nicht mehr erfüllen: Die Arbeitssituation für Häftlinge wie Angestellte liess zu wünschen übrig, enge und unübersichtliche Raumgefüge beeinträchtigten die Sicherheit, auch Entwicklungspotenzial war hier keins mehr gegeben.
Im offenen Gelände des Hinterrheins bei Cazis entstand daher eine komplett neue Justizvollzugsanstalt, mit grosszügigen Dimensionen und in unmittelbarer Nähe zur bestehenden, offenen JVA Realta sowie der psychiatrischen Klinik Beverin.

Spezielle Architekturaufgabe

Bei dem Neubau einer geschlossenen Vollzugsanstalt sind Architekten und Planer besonders gefordert. Sie müssen teils entgegengesetzte Ansprüche und Aufträge zusammenbringen. Zumal der gesetzliche Auftrag der Gefängnisse nicht mehr nur im „Wegsperren“ besteht, sondern in der Resozialisierung. Nach wie vor diktiert dabei die Sicherheit, der Schutz der Allgemeinheit steht an erster Stelle. Wobei auch hier langfristig gedacht wird: Die Insassen sollen für eine Rückkehr in die Gesellschaft gerüstet sein, um so der Rückfallquote nach Entlassung entgegenzuwirken. Um schon im Vollzug einen geregelten Tagesablauf zu gewährleisten, braucht es genügend Arbeitsplätze, Spazierhöfe und Gemeinschaftsräume. Gleichzeitig benötigen auch die Mitarbeitenden gute Arbeitsbedingungen, da sie ja miteingeschlossen sind. Eine motivierte Belegschaft gewährleistet ebenso Sicherheit wie effiziente und kostengünstige Betriebsabläufe.
Die Architekten hatten sich daher in einer Thesenkonkurrenz zu beweisen, die das konzeptionelle Herangehen gewichtete. Der Kanton suchte eine „profund weitsichtige“ Lösung. Überzeugen konnte der Beitrag „Step by Step“ des Gesamtplanerteams La Nicca um D. Jüngling und A. Hagmann Architekten aus Chur. Nach langer Recherche, Tests und Analysen war das Ergebnis schliesslich eine Art Planstadt, welche die gesetzlichen Vorschriften des Strafvollzugs abdeckt: Eine sieben Meter hohe und rund einen Kilometer lange Betonmauer und Metallzäune umgeben mehrere neue Gefängnisgebäude mit lebensnahen Wohn- und Arbeitssituationen, die nach modernsten Massstäben und Erkenntnissen in einer Kasernen- oder Klostertypologie erstellt wurden. Das grösste davon beherbergt den Zellentrakt für die jeweiligen Gruppenvollzüge. Es gibt zudem einen Komplex mit industriellen Fertigungshallen und Werkstätten sowie Räumen für Freizeit und Sport. Zwischen den Gebäuden liegen die Spazierhöfe, die je nach Sicherheitslage abtrennbar sind. 

Überblick und Ausblick

Die neue Anstalt ist übersichtlich, modern und hell. Ihre grossen Vorzüge sind viel natürliches Licht sowie der Blick in die umgebende Berglandschaft. Die Architekten und Verantwortlichen nutzten die Umgebung und rund 50.000 Quadratmetern Fläche, um genug Raum und Übersicht zu schaffen. Insgesamt bietet das Gefängnis Platz für 152 Insassen und 110 Angestellte. Angesichts gefährlicher Straftäter den Überblick zu behalten, ist extrem sicherheitsrelevant. Deswegen ist das Gefängnis zusätzlich in Clustern organisiert – in Wohngruppen mit kleineren Aufenthaltseinheiten. Diese sind untereinander durch ein System von Schleusen und Korridoren getrennt. Durch die wechselnden Sicherheitsabschnitte bewegt man sich von Glastür zu Glastür. Jede Gruppe hat in ihrem Abschnitt einen eigenen Gemeinschafts- und Essraum. Die Einzelzellen entsprechen der gesetzlichen Normgrösse von zwölf Quadratmetern. Sie besitzen jeweils ein grosses, vergittertes Fenster.

In sämtlichen Bereichen ist auch die Materialisierung sehr wichtig: Alles muss sehr robust sein, soll aber dennoch einem ästhetischen Anspruch und auch der Nachhaltigkeit genügen. Daher kommen auf den rund 29.000 Quadratmetern Geschossfläche in Haupt- und Nebengebäuden hauptsächlich langlebige Materialien wie Beton, Stahl, Hartholz oder Backstein zum Einsatz.
50000
Quadratmeter
29000
Quadratmeter Geschossfläche in Haupt- und Nebengebäuden
Mehrere neue Gefängnisgebäude entstanden, die nach modernsten Massstäben und Erkenntnissen geplant wurden.

Nachhaltige Sicherheit

Trotz der hohen Sicherheitsprämissen wie ausbruchsfesten Fensterverglasungen kann die JVA die Vorgaben für den Minergie-Standard erfüllen: Der Energieverbrauch wird durch die Verwendung von LED-Leuchten und eine Gebäudeautomation für Kunstlicht, Beschattung, Heizung und Lüftung auf ein Minimum reduziert. Zudem kann das Gefängnis seinen Energiebedarf mit zwei grösseren Photovoltaikanlagen zu einem grossen Teil selbst decken. Massgeblich tragen auch die Produkte von Jansen zu einer sicheren Nachhaltigkeit bei. Bereits bei der Anmeldung trennt eine einbruch- und durchschusshemmende Festverglasung aus Janisol RC3 die Besuchenden vom inneren Gefangenenbereich. Danach geht es durch eine einbruchhemmende Economy 60 Schleusentür. Rund 100 Türen aus dem Stahlprofilsystem Janisol 2 EI30 sichern die Zellen.
Mit Sonderbeschlägen und allfälligen Verstärkungen erreichen sie Einbruchhemmung der Klasse RC3 und Durchschusshemmung FB4 NS (nicht splitternd). Damit erfüllt das Brandschutzsystem Janisol 2 EI30 auch die in einem Gefängnis geltenden Anforderungen in Bezug auf bauliche Sicherheit und gestalterische Freiheit vorbildlich. Der Werkstoff Stahl ermöglicht hier besonders stabile und sichere Konstruktionen mit ansprechend filigranen Profilen. Ausgeführt wurde das Projekt von den Metallbauern der Fehrtech AG, die bereits über eine breite Erfahrung bei der Umsetzung von Türprojekten insbesondere in Gefängnissen verfügten. Die Gefängnisarchitektur im Bereich des Vollzugs zu verbessern, trägt zu einer nachhaltigen allgemeinen Sicherheit bei. Für echte Prävention zählt eben gerade auch der Blick in die Ferne. (NS)
Gebäude 1: Der Grundriss zeigt eine Planstadt in einer Kasernen- oder Klostertypologie, welche die gesetzlichen Vorschrifen des Strafvollzugs vollumfänglich abdeckt.
Bautafel
BAuherr
Architekten
Metallbau
Fehrtech AG, Buchberg
Stahlprofilsystem
Janisol 2 EI30 Türen, RC3
Economy 60 Türen, RC2/RC3, FB 4
Economy Festverglasungen, RC3, FB 4
Economy 60, RC2/RC3
Janisol Festverglasung, RC3
Fotografie
©Ralph Feiner - Feiner Fotografie